Gesamte Tourdaten
394 km – ↑ 11.788 hm – ↓ 12.305 hm – 5,5 Tage
Etappenlänge
68 km – ↑ 2.271 hm – ↓ 2.044 hm – Fahrzeit: 5:33 Std.
Zwischenstationen
- Heiden
- Gais
- Weissbad
- Schwägalp
- Lutertannen
- Risipass
- Stein
- Alt St. Johann
- Unterwasser
- Schendi
- Unterkunft: Seegüetli
Tour Beschreibung
Traumwetter! Mit diesem Wort wird die ganze Emotion beschreiben, als wir am Morgen aus dem Fenster blicken. Dieses Jahr haben wir Glück, Sonne pur und keine Wolke am Himmel. Nach reichhaltigem Frühstück packen wir zusammen und machen uns los auf unsere erste «wirkliche» Etappe. Gestern war Einrollen angesagt, heute stehen fast 2.300 Höhenmeter mit 68 Kilometer an. Wir sind schon sehr gespannt, was uns erwartet.
Hier in Halden folgen wir einer ausgeschilderte Mountainbike-strecke. Die gibt es hier zu Hauf, an fast jeder Kreuzung und in alle Himmelsrichtungen zeigen die rote Hinweisschilder. Kurze knackige Anstiege und schöne schnelle Abfahrten wechseln sich im Rhythmus ab. Anstrengend, aber die fantastische Bergwelt bietet genügend Ausgleich und Abwechslung. Wir bleiben des Öfteren stehen und blicken in die weite Ferne auf die Gipfel kommender Berge. Auch mein Fotoapparat kann nicht genug bekommen.
Kurz vor Schwäbrig machen wir Rast an einer kleinen Hütte, füllen unsere Flaschen mit herrlich frischem Quellwasser und erblicken unsere erste kleine Schiebepassage. Nicht lang, auch nicht sehr steil, Null Problemo! Als Entschädigung geht es auf einem klasse Trail mit viel Flow abwärts durch Wälder und Wiesen – einfach herrlich. In Weissbad angekommen, erkennen wir schon vom Weitem unser nächstes Ziel am Horizont, die Schwägalp.
Die Schwägalp liegt direkt am Fuße der Säntis, der mit 2.501 Meter höchste Berg im Alpstein (Ostschweiz). Auf dem Gipfel des Säntis befindet sich ein 123,55 Meter hoher Rundfunk- und Fernsehturm aus Stahlbeton. Durch die ideale, nördlich dem Hauptalpenkamm vorgelagerte Lage des Alpsteins, wurde auf dem Berg schon 1882 eine Wetterstation eingerichtet. Eine Luftseilbahn fährt von der Schwägalp hoch zum Säntis und gehört zu den bestfrequentierten Bergbahnen der Schweizer Alpen. Sie hat eine Länge von 2.307 Meter und überwindet einen Höhenunterschied von 1.123 Meter.
Unser Weg führt auf gut fahrbarem Schotter immer aufwärts, die Sonne und die Steigung lässt uns schwitzen, viel schwitzen. Es ist aber allemal besser als im Regen zu biken! Das Panorama der Schweizer Bergwelt lädt zum Träumen ein, saftig grüne Wiesen vor schroffen Felswänden, kleine Almen, grasende Kühe, Natur pur! Die Steigung nimmt ab, eine Art Plateau liegt vor uns, dahinter ist am Horizont die Schwägalp zu erkennen. Kurz vor der Alp machen wir große Augen, denn ein riesiger Parkplatz voller Autos, Menschenansammlung wie auf einer Massenkundgebung, was soll das ganze hier? Es ist zwar Sonntag, aber so was haben wir in luftiger Höhe noch nicht erlebt. Wir fahren langsam den Schotterweg entlang, auf einer großen Wiese vor der Alp ist ein riesiges Festzelt aufgebaut. Menschen tummeln sich herum, sind fröhlich und ausgelassen und feiern ein uns noch unbekanntes Fest. Unser Weg führt direkt durch ein groß abgesperrtes Gebiet, davor ein kleines Zelt, hier wird Eintritt verlangt! „Wir wollen nur durchfahren!“ gebe ich zum Besten und die Bodyguards in Alpentracht betrachten uns von oben bis unten und lassen uns gewähren. Jetzt können wir einen Blick auf mehrere Bühnen werfen, die rings um drei Kreise aus Sand aufgebaut sind und einem Durchmesser von circa 20 Meter aufweisen. So eine Art Ringer-Wettkampfstätte aus Sand. Filmkameras vom Schweizer Fernsehen stehen um die drei Kreise, aber Sportler haben wir keine gesichtet. Wir schieben unser Bike ein wenig zur Seite, halten an, und nach kurzer Rücksprache mit einem Einheimischen werden wir aufgeklärt: Das größte Schweizer Spektakel findet hier und heute statt, das 10. Schwägalp-Schwinget. Alles klar? Uns nicht, aber hier die Auflösung:
Schwingen – eine urchig moderne Sportart Das Schwingen ist eine typische Eigenart der Schweiz und wird in dieser Form vorwiegend in der Eidgenossenschaft praktiziert. Im Lauf der Zeit hat sich das Nationalspiel zu einer Sportart mit hoher Akzeptanz entwickelt und genießt einen großen Rückhalt in der Gesellschaft. Schwingen ist eine Abart des Ringens, also ein Zweikampf zwischen zwei kräftigen Gestalten, mit eigenen Regeln, Griffen und Schwüngen. Die «Bösen», so werden die besten Schwinger bezeichnet, messen sich an kleineren und größeren Schwingfesten und erküren alle 3 Jahre den Eidgenössischen Schwingerkönig an den Eidgenössischen Schwing- und Älplerfesten. Schwingen ist eine moderne Sportart, welche die urchige Herkunft bewahren konnte. Mit dem Schwingsport und den Schwingfesten sind etliche Bräuche und Traditionen eng verknüpft. Um es in einem Schwung zu sagen: Schwingen ist eine ideale Verbindung zwischen Traditionen, Sport und Fortschritt.
Wir bekommen leider oder zum Glück «die Bösen» nicht zu Gesicht, den das Spektakel soll erst in einer Stunden beginnen, aber die Arena und das Festzelt war schon überfüllt und alle Eidgenossen in Partylaune. Jürgen und ich wollten eigentlich hier übernachten, jetzt wissen wir, warum die Schwägalp komplett ausgebucht war. Also nix wie weg vom turbulenten Treiben, wir wollen wieder in die Einsamkeit der Bergwelt abtauchen.
Auf einem kleinen Trail geht es zunächst weiter, diesmal abwärts hinunter zum Dreckloch. Ja, so heißt die Stelle wirklich, aber die Kuhscheiße und der lehmige Boden sind durch die Hitze zum Glück ausgetrocknet, unsere Räder bleiben sauber. Wir kommen auf eine alte Passtrasse Richtung Lutertannen. Die Hitze ist schon brutal, 30 Grad im Schatten und immer wieder trinken, trinken, trinken! Ich möchte das nicht mehr erleben, wie es mir auf unserem zweiten Alpencross ergangen ist. Damals hatte ich einfach zu wenig getrunken! Fast in jedem Dorf finden wir einen typischen Wassertrog aus Holz, der laufend von frischem Wasser gespeist wird und am Überlauf das Wasser wieder ins Erdreich zurückschickt. Wir machen eine Pause, ziehen unsere Schuhe und Socken aus und stellen uns in den eiskalten Trog. Der kühlt uns etwas herunter, länger als eine Minute halten wir es nicht stehend drinnen aus, dann fangen die Beine an zu kribbeln und die Kälte wird unerträglich. Schnell wieder mit den nassen Füßen auf den heißen Asphalt, das ist wie eine Kneippkur. Das Ganze dann drei bis vier Mal wiederholt und man fühlt sich wie frisch geboren. Kurze Zeit warten, bis die Füße wieder trocken sind, dann noch die Flaschen voll füllen und weiter geht’s auf einem relativ gut fahrbarer Schotterweg.
Der Aufstieg zum Risipass ist perfekt ausgeschildert, unser Navigationsgerät zeigt auch den richtigen Wegverlauf, also auf zum Gipfel. In einer Rechtskurve biegen wir links ein und es geht durch ein Kuhgatter auf steilerem Trail schiebend weiter nach oben. Nicht lange, dennoch schön steil führt der Weg bis zur Alp Leser auf 1.447 Meter. Pause, Aussicht und Apfelschorle genießen. Jürgen entdeckt an einem Geländer einen Liegestuhl, legt sich kurzer Hand hinein und lässt die Sonne an seine Haut, während ich ein paar Fotos schieße und die Aussicht genieße. Der Risipass liegt noch vor uns, aber der ist fahrender Weise zu bewältigen und stellt keine große Herausforderung dar. Deshalb entscheiden wir gemeinsam, die Pause zu verlängern. Der Risipass bietet einen tollen Blick zurück ins Säntismassiv und nach vorn auf die Auffahrt von morgen, dem Hinter Höhi.
Der Weg hinauf ist leicht zu fahren, macht Spaß und das tolle Panorama begleitet uns ständig. So treten wir stets bergauf, bis wir oben auf 1.447 Meter ankommen sind. Es folgt ein Passfoto mit Selbstauslöser und viele weiter Panoramafotos. Dass wir uns «nur» auf circa 1.500 Meter über dem Meer befinden bemerken wir kaum, man fühlt sich wie im Gebirge. Einzig die saftig grünen Wiesen und die Baumgrenze lässt erahnen, dass wir nicht über der 2.000 Meter Grenze stehen.
Hier weicht unsere Route weiter unten im Tal von Andreas Albrechts Originalen ab. Zunächst eine einfache, aber sehr rasante Abfahrt hinunter nach Stein, dann fahren wir nicht hinauf nach Hinter Höhi, sondern biegen links ins Tal ab. Diese Route habe ich einfach aus der Landkarte heraus selbst zusammengestellt und die Daten in mein GPS-Gerät übertragen. Wir sind gespannt, was uns da erwartet. Wir folgen einem steilen Wiesentrail, der Weg ist kaum als solcher zu erkennen. Da ist wohl schon lange kein Wanderer mehr entlang gelaufen, geschweige denn ein Biker entlang gefahren. Durch einen Acker führt uns die Strecke weiter und mündet in einen kleinen engen Schotterweg auf die «Bundesstraße 16» in Richtung Starkenbach. Der Wanderweg ist jetzt sogar ausgeschildert, biegt wieder von der Straße ab, hinab zum Fluss Thur. Wir überqueren auf einer alten steinerne Brücken den reißenden Bach und machen kurz Pause. Ein sehr idyllischer Ort, kleinere Schluchten hinter der Brücke, der Flusslauf schlängelt sich um größere Felsbrocken und ein Dickicht an Bäumen und Sträuchern lässt das ganze Bild sehr romantisch erscheinen.
Wir folgen dem Flusslauf der Thur auf einem super fahrbaren Trail bis nach Unterwasser, dort überqueren wir wieder die Hauptstraße und stehen vor einer Toggenburger Bergbahn. Sieh führt hinauf zum Gipfel des Chäserrugg auf 2.262 Meter. Von dort oben könnten wir es hinab zu unserem Hotel rollen lassen, einen kurzen Gedanken daran haben Jürgen und ich schon verschwendet. 2.000 Höhenmeter haben wir schon in den Beinen und müssen nur noch 2,2 Kilometer und 250 Höhenmeter von Unterwasser nach Schwändisee hinauf. Der Gedanke verfliegt schnell, jetzt heißt es noch mal die letzten Kräfte mobilisieren um die kleine Bergstraße hinauf zu kurbeln. Es geht schneller und einfacher, als wir gedacht haben, nur noch eine kleine Kuppe und wir stehen vor unserem Hotel «Seegüelti».
Für heute reicht es uns, das Hotel ist schnell bezogen und der anliegende Natursee namens Schwändisee lädt förmlich zum Baden ein. Erfrischend kühl ist der Sprung ins kalte Nass, wohltuend die anschließe Ruhephase auf den Sonnenstühlen. Die Sonne scheint noch ziemlich kräftig, denn selbst hier oben auf 1.1.60 Meter sind es immer noch 26 Grad, und das um 18:00 Uhr! Unsere Wirtsleute wollen abends noch aufs Schwingfest zur Schwägalp, deshalb bleibt hier die Küche kalt. Wir haben das aber schon vorher gewusst, sie haben es uns netter Weise in einem Mail angekündigt und Alternativen aufgezeigt. Zu Fuß erreichen wir das 500 Meter nächstgelegene Restaurant und lassen uns ein original Schweizer Cordon Blue servieren und schmecken. Natürlich gönnen wir uns auch eine «Hopfenkaltschale» und genießen unseren Urlaub in vollen Zügen. In Abenddämmerung beenden wir den Tag mit einem Spaziergang rund um den Schwändisee und fallen dann müde ins Reich der Träume.
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