Gesamte Tourdaten
252 km – ↑ 9.792 hm – ↓ 10.617 hm – 5 Tage
Etappenlänge
66 km – ↑ 2.301 hm – ↓ 2.915 hm – Fahrzeit: 6:17 Std.
Zwischenstationen
- Mals
- Glurns
- Prad
- Sulden
- Schaubach Hütte
- Madritschjoch
- Zufallhütte
- Zufritt Stausee
- Martelltal
- Unterkunft: Hotel Burgaunerhof
Tour Beschreibung
Langsam öffne ich die Augen und mit voller Hoffnung erhasche ich erwartungsvoll einen Blick aus dem Fenster: Kleine weiße Wolken, dazwischen blaue Abschnitte und – kein Regen! So schnell bin ich schon lange nicht mehr aus dem Bett gesprungen, schau Jürgen an, der durch meine Umherspringen auch wach wird: „Hey, unser Abenteuer kann endlich beginnen“!
Nach ausgiebigem Frühstück stehen wir um 7:30 Uhr vor unserem Hotel und machen ein obligatorisches Abschiedsfoto. Das Auto dürfen wir für die komplette Zeit auf dem hauseigenen Parkplatz abstellen, echt super. Alles unnötige vom Vortag wandert in den Kofferraum und los geht die Reise. Es ist frisch am Morgen, der Nebel zieht durchs Tal, erste Sonnenstrahlen durchstoßen die Wolkendecke. Ein tolles Bild. Wir folgen zunächst auf Hauptstraße, nach kurzer Zeit einem Radweg Richtung Glurns. Dank GPS-Gerät wissen wir, dass nach einer kleinen Steigung irgendwann ein Pfad in einer Kurve links abbiegen muss. Wir finden auch einen Weg, biegen ab und irgendwann, ich glaube nach einem Kilometer, schau ich auf das Display meines Navigationsgerätes. Unser Weg, den wir fahren müssen, wird als rote Line angezeigt, das, was wir bereits gefahren sind, wird als weiße Line wie eine Art Spur markiert. Wenn beide Linien übereinstimmen, dann ist man auf dem richtigen Weg. In unserem Fall weicht die Weiße immer mehr von der Roten ab, wir haben uns verfahren! Der vergangene Wegverlauf war kaum fahrbar. Aufgeweichter Boden, mit großen Steinbrocken übersät und kaum noch als Pfad erkennbar. Ich sage noch zu Jürgen: „Das beginnt ja recht heftig“. Dann macht der Trampelpfad plötzlich einen Schwenk in eine nicht vorhergesehenen Richtung, also müssen wir falsch sein. Zudem weist er eine Differenz von 80 Höhenmeter zum Originalweg auf.
Jetzt aber schnell umdrehen, die Strecke zurück und ein Stück weiter unten, ganz heimlich versteckt hinter einem Busch, führt der richtige Pfad entlang. Der war eine fahrerische Augenweide, ein kleiner Trail schlängelt sich immer am Waldrand entlang, mal hoch, mal runter, mit Wurzeln durchzogen und viel Flow. Ja so kann unsere Tour beginnen! Der Trail endete circa fünf Kilometer später unterhalb einer Burgruine.
Die Burgruine Lichtenberg (Castello di Montechiaro) ist eine verfallene Burg in der Fraktion Lichtenberg von Prad am Stilfserjoch. Sie liegt oberhalb des Dorfes und bot den damaligen Herren einen guten Ausblick in den Vinschgau und zur Churburg im benachbarten Schluderns. Auch uns gefällt der Blick ins Tal und auf die umliegenden Berggipfel.
Wir fahren weiter auf einer kleinen Straße hinab nach Prad, dann auf Schotter folgt der erste, mühsame Aufstieg für den heutigen Tag. Auf 12 Kilometer Länge und einer Durchschnittssteigung von 9% geht es von Prad mit seinen 900 Meter hinauf auf eine kleine Hütte auf 2.000 Meter. Es fällt uns noch schwer, den richtigen Rhythmus zu finden. Im kleinsten Ritzel erkämpfen wir jeden Höhenmeter einzeln, uns wird warm, der Schweiß tropft über die Stirn auf den Rahmen. Je höher wir kommen, desto besser geht es uns. Die Steigung ist nicht mehr allzu schwierig, da erhaschen wir das erste Mal Sicht auf Sulden, 200 m tiefer und geschätzten 5 Kilometer weiter im Tal. Einfach nur toll.
Die Wolkendecke reißt immer weiter auf, Sonnenstrahlen wärmen unsere Körper. Jetzt folgt ein sehr ausgesetzter und verblockter, zum größten Teil nur schiebbarer Trail. Er schlängelte sich durch den Wald und viele nasse und rutschige Wurzeln lassen eine Abfahrt nicht zu. Schade, wenn es trocken wäre könnte man viel mehr fahren. Eine Holzbrücke führt uns über einen Bach, linker Hand stürzt sich ein Wasserfall tosend und höllisch laut in die Tiefe. Eine willkommene Abwechslung, kurzer Fotostopp auch um unsere Trinkflaschen wieder aufzufüllen. Im Wechsel steigen wir vom Rad, laufen und dann geht’s wieder fahrend weiter. Mal eine Rampe von 50 Höhenmeter , dann wieder steil bergab. Manchmal können wir auch ein Stück fahren, leider viel zu selten.
Was sagt eigentlich die Zeit? 12:15 Uhr. Vom Vortag wissen wir, dass die letzte Fahrt mit der Suldener Gondel auf die Schaubacher Hütte um 12:45 Uhr geht, dann folgt eine Mittagspause bis 14:00 Uhr. Wir haben viel Zeit durch die Wurzeltrails verloren. Also einen Gang schneller, der Trail wird gegen Ende auch endlich besser, mündet in einen Schotterweg und letztendlich landen wir auf der Hauptstraße in Sulden. Die Stelle kennen wir, jetzt sind es nur noch zwei Kilometer mit einer kleinen Steigungsrate von 3%. Wir lassen es so richtig krachen, hinten kleines und vorne großes Ritzel rein und los geht der Endspurt. Die Muskeln fangen an zu übersäuern, es krampft und wird heiß, mit weit geöffnetem Mund hecheln wir nach Luft, Schweißtropfen laufen übers Gesicht. Noch eine kleine Kurve, dann 100 Meter einen Schotterweg im Sturzflug hinunter und letztendlich stehen wir an der Talstation.
Verdutzt müssen wir zusehen, wie gerade eben die letzte Gondel vor der Mittagspause losfährt. Ich schaue verärgert auf den Bikecomputer: 12:47 Uhr! Mist!
Die Seilbahn Sulden am Ortler ist die größte Luftseilbahn der Alpen. Sie führt von der Talstation bei Sulden von 1.900 Meter aus zur Bergstation bei der Schaubachhütte auf 2.600 Meter Höhe. Wir sparen uns die 700 Höhenmeter auf die Schaubacher Hütte, denn zum Einen kann man die Strecke wegen Ihrer Steilheit sowieso fast nur laufen, zum Anderen stehen heute immerhin insgesamt 2.300 Höhenmeter auf unserem Programm. Das ist uns genug für den ersten Tag. Also nutzen wir die Gelegenheit, machen es uns auf der Terrasse des Hotels gegenüber gemütlich und genießen so den ein oder anderen Cappuccino mit leckerem Apfelstrudel. Die Sonne scheint, die Sonnenstrahlen fangen langsam an uns zu bräunen und wir genießen die Stunde Mittagspause.
Pünktlich um 14:00 Uhr stehen wir bereit und steigen in die Gondel ein. Eine grandiose Aussicht, die uns während der Auffahrt und beim Verlassen der Gondel geboten wird. Bayrischer weiß/blauer Himmel, das Drei-Gestirn «Ortler», «Königsspitze» und «Zebru» ist teilweise mit weißen Wolken umhüllt und einfach nur schön anzusehen. Auch der bekannte Blick auf die Schaubachhütte gleich hinter der Bergstation ist sehr imposant.
Der Ortler (ital. Ortles) ist mit 3.905 Metern der Hauptgipfel der Ortlergruppe in den Ortler-Alpen im Grenzgebiet Südtirols zur Schweiz zwischen Vinschgau, Val di Sole und oberem Addatal. Er ist der höchste Berg der Region Tirol. Der Ortler ist ein massiger Berg mit vier markanten Graten: «Nordgrat» (Tschierfeck-Grat), «Südgrat» (Hochjochgrat), «Nordostgrat» (Martlgrat) und «Südost- oder Hintergrat». Ein fünfter Grat, der Stickle-Pleiß-Grat (nach Westen), gehört zwar optisch zum Ortler und trägt mit dem Meraner Weg auch eine bekannte Route, endet jedoch nicht am Gipfel, sondern vereinigt sich am Hochjoch mit dem Südgrat. Auf seiner Nordwestabdachung zwischen Stickle-Pleiß- und Tschierfeck-Grat liegt eine mächtige Eiskappe. Einer Sage nach handelt es sich beim Ortler um einen versteinerten Riesen. Der Bergname selbst ist auf die Ortels-Alm in Sulden zurückzuführen.
Unsere Augen verfolgen natürlich gleich den Weg Richtung Gipfel. Nur die ersten paar Meter können wir noch fahren, dann ist Schieben angesagt. Auf Schotterpiste durch Schmelzwasser und kleinere Schneefelder geht es von 2.580 Meter auf 3.130 Meter dem Madritschjoch entgegen. Das Joch ist mit seinen Ausmaßen der höchste, mit dem Bike noch sinnvoll überquerbare Alpenpass. Durchschnittlich 20% Steigung und die Höhenluft machen es uns nicht leicht, aber rückblickend war es das angenehmste Schiebestück auf unserem gesamten Alpencross. Dazu aber mehr in den nächsten Tagen. Die Schneefelder stellten auch kein großes Problem dar, denn man kann schon in der vorhanden Spur laufen und sinkt somit nur 10 Zentimeter ein. Verpasst man allerdings die Spur, sind es circa 30 Zentimeter Schneematsch, die das Laufen erschweren. Auf den Reifen klebt förmlich der Schnee und das Schieben des Bikes ist nicht immer einfach, aber dennoch machbar.
Wir nutzen ein Schneefeld aus, stecken unsere Räder hinein und befestigen die Reifen mit verharschtem Schnee. So, da stehen sie nebeneinander, wie von Geisterhand gehalten. Eine tolle Möglichkeit Fotos zu schießen. Die Bikes auf dem Schneefeld – im Hintergrund der Ortler. Wir haben Glück, den die Gipfel sind für fünf Minuten völlig wolkenfrei – Spitze! Wir kommen an der Bergstation eines Skiliftes vorbei, eine kleine steilere Rampe steht vor uns. In der Ferne erkennen wir zwei Wanderer, die im Abstand von 200 Meter dem Gipfel entgegen laufen. Uns wird bewusst, dass wir die ganze Zeit auf einer Skiabfahrt hoch schieben. Schön sind die Geröllfelder nicht, die Erosion hat hier auch schon dazu beigetragen, dass der komplette Hang sehr zerklüftet und vegetationslos aussieht. Im Winter, wenn hier meterhoch der Schnee liegt, sieht man von den verschandelten Skiabhänge nichts. Aber die Höhe und der Rundumblick auf die hohen Gipfel der Berge lassen es dennoch zu einem einprägendem Erlebnis werden.
Der Wanderweg quert nun auf seinem Verlauf nach oben einige Male die kleinen Bäche der Schneeschmelze. Weiter, immer höher hinauf, mal steiler, mal flacher, holen wir fast die zwei Wanderer ein. Die letzten 200 Höhenmeter zum Joch schiebt man auf dem noch steileren Bergpfad immer der Sonne entgegen. Der Restschnee glitzert, dann der blaue Himmel mit den weißen Wolken, alles wie im Bilderbuch. Nur noch wenige Meter und wir haben es geschafft.
Es ist schon ein erhabenes Gefühl, auf 3.130 Meter mit einem Bike zu stehen. Viele Gedanken schwirren dir im Kopf rum, der Ausblick grandios, wir genießen einfach den Augenblick. Komischer Weise macht uns die Höhe überhaupt nichts aus, keine schweres, tiefes Atmen, alles wie gewohnt. Die Wanderer entpuppen sich zu einem älteren Ehepaar. Wir unterhalten uns über den anstrengenden Aufstieg, sie sind verblüfft, dass man so etwas auch mit dem Fahrrad macht. Aber ein bisschen verrückt sind wir doch alle, auf die eine Art und Weise! Wir nehmen die Gelegenheit wahr und lassen ein tolles Gipfelbild schießen: Jürgen und ich stellen uns neben die Räder am Passschild auf, im Hintergrund der traumhafte Fernblick!
Wären wir gestern bei dem Unwetter gestartet, das hätten wir nicht erlebt. Jürgen und ich sind uns einig, hier oben möchten wir nicht sein, wenn sich Blitz und Donner abwechseln und der Regen oder Schnee erbarmungslos ins Gesicht peitscht. Kaum eine Möglichkeit sich hier oben unterzustellen oder anderweitig Schutz zu finden. Aber heute, herrlicher Sonnenschein in luftiger Höhe. Nein, wir haben wieder mal alles richtig gemacht und werden auch noch dafür belohnt! Der Blick auf die andere Seite hinab verrät uns: Viel zu fahren gibt es jetzt nicht. Nicht für uns «Flachlandtiroler». Die Abfahrt, oder soll ich besser sagen der Fußmarsch mit bis zu 40% Gefälle auf dem nächsten Kilometer ist schon heftig. Dieses Mal laufen wir die Rampen runter, ein kleiner Wanderpfad schlängelt sich an der Felswand hinab, linker Hand der Abgrund. Es macht uns dennoch jede Menge Spaß, wir können uns einfach nicht satt sehen an der Schönheit der Natur. Es dauert aber wirklich nicht lange und der Spuk ist vorbei.
Uns offenbart sich ein toller, fahrbarer Weg. Das haben wir so nicht erwartet. Ein handtuchbreiter Trail, immer abwärts, mal ein Steinbrocken dazwischen, mal eine Stufe, dann durchfahren wir einen Wasserlauf, der sich vom Gipfel seinen Weg ins Tal sucht. Und das aller Beste ist, wir können alles fahren. Einfach nur Spitze! Immer wieder Rechts/Links Kombinationen, kleine natürliche Steintreppen dir wir hinunter fahren, traumhaft. Unsere Dämpfer und Federgabeln leisten Schwerstarbeit, ab und zu ein kleiner Sprung, dann sackt die Gabel beim Überfahren eines größeren Felsbrocken tief ein, dennoch hat Sie aber immer noch merklich Reserve. Natürlich halten wir immer wieder an, um das Panorama der einsamen Bergwelt aufzusaugen, Bilder zu machen und die ganze Situation einfach nur zu genießen! Eine kleine Hochebene lässt uns schon auf unser nächstes Ziel blicken, der Zufallhütte im Martelltal. Wir lassen es einfach hinunter laufen, immer weiter treiben ohne zu treten.
Ein kleiner aber kurzer Gegenanstieg und wir stehen vor der Hütte auf 2.245 Meter, mit einem atemberaubenden Blick Richtung Martelltal auf den Zufritt Stausee. Wir erfreuen uns an einer Pause, an der Quelle tanken wir ein letztes Mal für heute frisches Wasser, nur der Fotoapparat hat keine Ruhe und verrichtet Schwerstarbeit. Hinter der Hütte der türkisblaue Stausee, seitlich ein schmaler Wasserfall, der sich vom Berggipfel seinen Weg in die Tiefe sucht. Eine Einkehr in die Hütte ersparen wir uns, nehmen Platz auf einer Bank direkt gegenüber einer kleinen Kapelle und lassen die Schönheit der Natur auf uns wirken. Die Sonnenstrahlen sind sehr intensiv und verwöhnen unsere nackte Haut.
Jetzt folgt eine circa 15 Kilometer lange Abfahrt bis auf 1.100 Meter hinunter. Wieder auf einem kurzen Stück eine toller Trail bis kurz vorm Stausee, dann folgt eine gemütliche Schotterfahrt rechts um den See herum. Auf der Staumauer bleiben wir kurz stehen, um den phantastischen Ausblick zurück zum Madritschjoch zu genießen und in einem Bild einzufangen.
Ein paar Serpentinen weiter, dann biegt unser Weg auf einen Trail, der sich immer parallel zur Straße entlang schlängelte. Vorbei an großen Erdbeerfeldern, auf eine Brücke über den Fluss Plimabach, immer weiter hinab ins Martelltal. In der Mitte rauscht der Fluss, links rauschen wir und rechts rauschen die Autos die Hauptstraße hinab. Wir müssen wieder zurück auf die Straße, aber vor lauter Enthusiasmus verpassen wir doch glatt eine Brücke, die uns über den Fluss geführt hätte. Mist. Auf der Landkarte entdecken wir erst 5 Kilometer weiter den nächsten Übergang, also Kehrtwende und 2 Kilometer wieder zurück, diesmal halt aufwärts. Jetzt, auf der richtigen Brücke wieder auf der anderen Seite einen kleinen Hang hinauf, dann stehen wir auf der Hauptstraße und 500 Meter vor unserem Hotel Burgaunerhof.
Man, war das heute wieder eine klasse Tour. Noch ganz in Gedanken vergangener Trails versunken, beziehen wir das Zimmer und machen es uns anschließend in einem Whirlpool gemütlichen. Entspannung pur für Geist, Muskeln und Seele! Nach einem reichlichen und leckeren Abendessen, einem Weizenbier und Grappa fallen wir müde in unsere Betten, verarbeiten das Erlebte und träumen schon von morgen.